Spiel mir das Lied vom richtigen Golf...
Wer hat sich schon einmal über einen Marshall schwarz geärgert? Ich! Wer war schon einmal froh, dass ein Marshall in der Nähe war und hilfreich eingreifen konnte? Ich! Marshalls haben einen Ruf wie Donnerhall – sie sind aber auch wie der Polizist auf der Straße: Dein Freund und Helfer! Möchte ich Marshall sein? NIE UND NIMMER! Aber ich bin vielleicht auch nicht so der Marshall-Typ! Gibt es einen Marshall-Typ? Ich denke schon. Nicht umsonst kommt die Bezeichnung aus dem Amerikanischen und steht in den Vereinigten Staaten und in England für den militärischen Dienstgrad. Ein ‚richtiger‘ Marshall trägt Uniform und einen Stern – die Uniform des Golf-Marshalls ist das Golf-Kart mit dem Hinweisschild, dass es sich hier am Steuer um einen Marshall handelt. Und ich kenne Marshalls, die gucken so böse, als hätten sie die Lizenz zum Töten (nein, natürlich nicht in meinem Heimatclub ). Marshalls sind oftmals wie ein Chamäleon – gestern waren sie noch der nette Fligth-Partner… und heute, hinter diesem Lenkrad, so etwas wie Steuerprüfer! Und bei diesen zwei Gesichtern frage ich mich schon manchmal: Legt der Marshall-Job den Charakter frei – oder kann der Charakter dank des Marshall-Jobs einfach mal ehrlich ausgelebt werden?
Ist der Marshall auf dem Platz endlich mal ‚wer‘, während er zu Hause kuschen muss? Er erinnert mich manchmal an die Ehefrau eines Lübecker Politik-Redakteurs, die mir die Aufgabenteilung zu Hause so erklärte: "Mein Mann entscheidet die ‚großen‘ Sachen: wann Merkel nach Paris zu Hollande fliegt, wie lange sie in Brüssel verhandelt, ob sie Erdogan den Marsch bläst. Ich entscheide die ‚kleinen‘ Sachen: In welche Schule unsere Kinder gehen, wann sie ins Bett müssen, wie die richtige Ernährung aussieht."
Marshalls haben kein leichtes Leben
Sie sind das Aushängeschild des Clubs und sorgen für Ordnung. Sie sind allgegenwärtig. Hast Du ‚vergessen‘, den Bunker zu harken, taucht neben Dir plötzlich der Marshall auf. Will da eine flotte Blondine mit ihren Spaghetti-Träger-Hemdchen auf die Runde, ist sie plötzlich in Gesellschaft des Marshalls, der ihr sagt: „Hast Du heute schon die Kleiderordnung gelesen… anderes Hemd bitte… und zwar mit Kragen." Marschierst Du mit Deinem Trolley vom 1. Tee über die 18. Bahn zum 9. Abschlag, ruft plötzlich jemand: "Kannst Du nicht lesen, Du Blindie?!" Und der Marshall zeigt besserwisserisch auf das Schild, dass genau diese Abkürzung verbietet. Willst du Deinen Ball identifizieren und nimmst ihn kurz auf und legst ihn – besser – wieder hin, gibt’s hinterher bei der Siegerehrung einen Rüffel vor versammelter Mannschaft: "Mit Besserlegen sollte heute nicht gespielt werden…" Von nicht ausgebesserten Pitchmarken und nicht zurückgebrachten Divots ganz zu schweigen.
Es kann nicht schaden, mit Marshalls ‚gut zu können‘, ihnen also auch mal von einer anderen Bahn rüber zu winken und den Daumen hoch zu halten, der signalisiert; "Du machst einen tollen Job." Wer weiß, wann Du sie mal brauchst – als Freund und Helfer! Schließlich ist ein guter Marshall auch im Notfall zur Stelle. Beispielsweise, wenn Du kein Feuer hast, um deine Zigaretten anzuzünden, wenn Du deinen Putter am Grün vergessen hast…oder, Gott bewahre, wenn Du auf dem Platz zusammenbrichst und der Notarzt gerufen werden muss. Ein Marshall hat die Nummern 110 und 112 im Kopf – und vor allem hat er ein Handy dabei und kann dem Rettungswagen-Fahrer klar sagen, wie er mit Blaulicht und Martinshorn am schnellsten zu Dir kommt. Mit dem Defi oder der Trage im Gepäck!
Ich glaub, es hackt.
Ich hatte natürlich auch schon mal direkten Kontakt zu Marshalls.
Unvergessen die Marshall-Begegnung in Andalusien, auf dem von Korkeichen eingebetteten wundervollen Platz in Sotogrande. Freunde und ich waren noch Golf-Novizen, als wir uns nach geglücktem Einlochen auf einem Par 3 gegenseitig fotografierten. Auf dem Green, wohlgemerkt. Jeder knipste den anderen, und weil einer meiner Freunde seine Freundin dabei hatte, musste sie natürlich noch Händchen haltend abgelichtet werden. Wir waren noch gar nicht ganz runter vom Green, als schon ein Marshall mit seinem knatternden Moped neben uns stand und uns in spanisch anherrschte. Obwohl keiner von uns spanisch spricht, wussten wir, was er uns zu sagen hatte: Entweder Tempo, Tempo, keine Fotos, schon gar nicht auf dem Grün. Oder runter vom Platz. Korkeichen ade! Der Marshall hat uns dann auch schnell darüber aufgeklärt, wer ihn so rasant auf eine Reise geschickt hatte: Miguel Jimenez, der spanische Weltklasse-Spieler, der auf dem Tee hinter uns stand und direkt das Green anspielen wollte. Jimenez muss, als er uns da mit den Fotoapparaten sah und wir sein Spiel unterbrachen, gedacht haben, er ist in einem anderen Film…
Als wir am anderen Tag auf dem Sensations-Platz in Valderrama spielten, haben sie uns im Sekretariat zur Sicherheit gleich einen Marshall mit auf die Runde gegeben. "Schneemann" haben wir ihn getauft, weil er ganz in weiß gekleidet war. 18 Löcher hat er uns nicht aus den Augen gelassen. Dafür hat er aber auch die Bunker geharkt und sich fast dazwischen geworfen, wenn wir mit dem Golfkart von der vorgeschriebenen Bahn abweichen wollten!
Marshall im Topfbunker
Im schottischen St. Andrews, , auf dessen Old Course wir morgens um 7.10 aufteeten, machte mein Freund Allard ebenfalls die Bekanntschaft eines Marshalls. Allard stand in einem dieser berüchtigten Topfbunker und drosch verzweifelt auf den Ball ein (bestimmt zehn mal, leider flog die Kugel nicht raus, sondern bohrte sich immer weiter in den Schotten-Sand), als der Marshall kopfschüttelnd neben ihm auftauchte und nur eine Handbewegung machte. Die bedeutete: Raus aus dem Bunker und dann voran. Aber dalli, dalli Du German Hacker!
In Spanien und in Großbritannien sind die Marshalls Angestellte des Clubs, bei uns ist der Marshall-Job meist ein Ehrenamt. Wer Lust auf diesen Job hat und sich in 16 Unterrichtseinheiten a 45 Minuten ausbilden lässt, bekommt die Marshall-Kompetenz-Lizenz – inclusive der Garantie (!), auch mal von Clubmitgliedern schief angeguckt zu werden. Mein Lieblings-Marshall in meinem Heimatclub An der Pinnau ist eine Marshallöse. Mary heißt sie. Ich kennte Mary seit über 30 Jahren. Wir haben zusammen gegolft, gelacht, um ihren Mann Didie geweint, getanzt, getrunken. Mary ist immer Mary, mit und ohne Marshall-Stern. Wenn Mary sagt: "Heiner, vor Euch ist 'ne Lücke. Ihr müsst ein bisschen Gas geben…", dann geben wir Gas. Und wenn Marys Marshall-Kart nach der Runde dann in der Garage steht, geben wir Gas auf der Terrasse!: "Claudia, eine Flasche Wein bitte…"